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Motive / Erfindungen – Einführung

Die Pietà [1] -> wird auch Vesperbild oder Marienklage genannt. Das Motiv ist in der Bildhauerkunst seit dem frühen 14. Jahrhundert gebräuchlich. Josef Nauer setzt nicht nur die Ikonografie und die Tradition der Pietà fort, sondern sucht und findet dafür eine neue Form. Auf herkömmliche Weise liegt der Leichnam Jesu in Marias Schoss. Josef Nauer jedoch setzt den Verstorbenen gleichwertig der Schmerzensmutter gegenüber – Leben und Tod nebeneinander, ineinander. Eine spezielle Pietà zeigt ein Holzgrabmal mit der klagenden Maria und dem vor ihr liegenden Leichnam Jesu – eine Beweinung Christi?

 

Erfinderische Kreuzformen -> Da ist zum einen ein Taukreuz [2] mit dem Gekreuzigten, dessen Haupt stark nach rechts oder nach links geneigt ist und sich so dem Querbalken einfügt. Meistens ist der am Taukreuz Hängende mit offener Handfläche dargestellt. Hinzu kommt, dass an den Enden des Taukreuzes oft Symbole angebracht sind (etwa Mond und Sonne oder: Posaune, Zornschale, «Büchlein», gemäss Johannes-Offenbarung 15). Zum andern erfand Josef Nauer das 2-Figuren-Kreuz: über dem Gekreuzigten/Querbalken ist eine weitere Figur einbezogen, es kann der Auferstandene, eine Gestalt mit Alpha- und Omega-Zeichen oder mit einer Gesetzestafel [3] sein.

 

1975 wurde Josef Nauer vom Kanton beauftragt, die Wandkreuze für die neue Kantonsschule Pfäffikon SZ zu gestalten. Das neuartige sakrale Gebilde für ein Schulzimmer bestand aus einer Senkrechten aus Holz und drei waagrecht eingesetzten beschrifteten [4] Querlatten – eine Anspielung auf die Dreifaltigkeit [5] .

 

Einst steil aufragend auf dem Friedhof Freienbach, heute, etwas kleiner, bei der Gedenkstätte Josef Nauer auf demselben Friedhofareal anzutreffen, steht eine besondere Ausführung, nämlich ein doppelseitiges Hochkreuz aus Bronze.

 

Allegorien -> Die Allegorie ist eine Form indirekter Aussage, bei der eine Sache als Zeichen einer anderen Sache eingesetzt wird (Beispiel: der Tod als Gerippe).

In der bildenden Kunst sind allegorische Darstellungen seit der Antike üblich. Josef Nauer hat etwa Begriffe wie «Sehen und Hören», «Gesetz und Gerechtigkeit» und «Bildhauerei» in Personengestalt allegorisch und in verschiedenen Techniken umgesetzt. Für die Veranschaulichung des Themas «Golgotha» [6] wendete er neun Dinge auf: drei Kreuze, vier Nägel, zwei Würfel.

 

Den Rahmen ausfüllend / sprengend -> Eine formale Eigentümlichkeit der Gestaltung Josef Nauers besteht darin, dass er Figuren einfasst und in einen Rahmen setzt, so etwa die Szene der Auferstehung [7] : Der von den Toten Erweckte füllt den neu gewonnenen Raum aus, indem er die vier Seiten der Umrandung berührt, ja der Kopf, die Hände und Füsse ragen leicht darüber hinaus, sprengen den Rahmen. Und ein Zeuge der Auferstehung wirft sich, geblendet vom mysteriösen Geschehen, in die «Ecke». Das vielleicht eindrücklichste Beispiel hierfür ist der Morgartentaler mit zwei ausladend bewegten Figuren, gebunden im Kreis.

 

Das Gestaltungsmittel der Entgrenzung kannte schon Michelangelo. Er schuf 1503 / 1504 das (unvollendetes) Marmorrelief der Jungfrau und des Kindes in runder oder Tondo-Form. Die Madonna dominiert diese Skulptur, weil sie einen grossen Teil davon ausfüllt, aber auch, weil sie aus der Szene herausragt.

[1] It. für Frömmigkeit, Mitleid, nach lat. domina nostra de pietate (unsere Herrin vom Mitleid)

[2] Das Taukreuz hat die Form eines T, auch Antoniuskreuz oder Ägyptisches Kreuz genannt (Kreuz ohne senkrechten Schenkel über dem Querbalken)

[3] «Im Namen des Vaters und des Sohnes [und des] heiligen Geistes»

[4] Am Berg Sinai hörte Moses von Gott die zehn Gebote, die er auch auf Tafeln lesen konnte (Buch Exodus).

[5] Christen glauben, dass Gott zugleich Vater, Sohn und Heiliger Geist ist. Diese Vorstellung nennen sie Dreieinigkeit, Dreifaltigkeit oder Trinität.

[6] Lukas Kap. 23: «Als sie zu der Stelle kamen, die ‘Schädel’ genannt wird, nagelten die Soldaten Jesus ans Kreuz und mit ihm die beiden Verbrecher, den einen links von Jesus, den anderen rechts.» Auf Golgotha (Schädelstätte) würfelten römische Soldaten um das Gewand des Gekreuzigten.  

[7] Die Auferstehung Jesu Christi ist für Christen Urgrund ihres Glaubens. Gemäss der Verkündigung des Neuen Testaments wurde der Sohn Gottes am dritten Tag seit seiner Kreuzigung von den Toten erweckt und erschien seinen Jüngern in leiblicher Gestalt.

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