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Grabmal / Gestaltung – Einführung

Die Rede war vom Niedergang und dass die Friedhofskultur «künstlerisch minderwertig» [1] sei. Diese düsteren Prognosen müssen auf Josef Nauer wie ein Weckruf gewirkt haben. Er selbst beklagte den «Verfall der Grabmalkultur». [2] So widmete er sich ein Leben lang der Erneuerung der Grabmalkunst und hat dazu «Entscheidendes beigetragen» [3] und zwar in Theorie und Praxis auf dreifache Weise:

 

Grabmal-Schöpfer -> Josef Nauer gestaltete eine unüberblickbare Anzahl von Grabmalen. Wie kein anderer verstand er es, ikonografisch komplexe Lösungen zu erarbeiten. Eine Vorzeigebeispiel, wie man verschiedene Symbole und Bedeutungen zu einem kompakten Meisterwerk zusammenfügen kann, ist dieser Grabstein: Gottvater ist mit dem gekreuzigten Sohn in eine Kreisform eingefasst, welche von einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beisst, gebildet wird. Grafisch gesehen formen die drei Körper zusammen Alpha und Omega – Anfang und Ende. [4]

 

Neben der Erschaffung thematisch hochstehender Grabmale zeichnete sich Josef Nauer durch die Hervorbringung zweier Grabmal-Typen aus. Da ist zum einen das Eisengrabmal zu nennen, das ausladende, geschmiedete Kreuz mit einem rechteckigen Rahmen in der Mittelachse, einem «Fenster», worin sich eine Bronze-Figur ausbreitet. Dieser Typus hebt sich deutlich von den anderen Grabmalen in einem Friedhof ab. Ebenso speziell ist Josef Nauers zweiter Grabmal-Typus: Das reine Schrift-Grabmal (siehe unter «Schrift / Sprüche»).

 

Grabmal-Reglement: Josef Nauer «begann schon 1937-1939 in Malans GR, sich mit den Problemen Friedhofreform und Neugestaltung der Grabmale zu befassen.» [5] Er bedauerte, dass meist «gute Friedhofsregeln...fehlen». [6] Diesem Mangel trat er entschieden entgegen. Sein Rat war gefragt bei der Erstellung von Grabmal- und Friedhofsbestimmungen. Unter seiner Führung wurden Reglemente verfasst. Er war sich nicht zu schade, direkt in Friedhofskommissionen mitzuwirken. Der Einwohnergemeinde Hünenberg ZG legte er Anschauungsmaterial vor. Doch gegen das im Jahr 1973 genehmigte Bestattungs- und Friedhofsreglement erhob der Verband Schweizerischer Bildhauer- und Steinmetzmeister Beschwerde [7]. Die Friedhofkommission Hünenberg lehnte ein Grabmal mit folgender Begründung ab: «Wir…hätten von Ihnen etwa mehr Einfühlungsvermögen in unseren schönen Friedhof erwartet, für welchen sich Herr Nauer sehr stark eingesetzt hat.» [8] Hierauf wandte sich der gescholtene Bildhauer an Josef Nauer: «einem Arbeitskollegen ein ‘Kreuz’ auferlegen zu wollen, finde ich beschämend.» [9]

 

Grabmal-Gestaltung -> 1957 gab der Verband Schweizer Bildhauer- und Steinmetzmeister das gewichtige Werk «Das Reihengrabmal: Grundform, Mass und Gestaltung» heraus, von dem 1990 eine erweiterte Neuauflage – mit 56 Vorlageblättern von Josef Nauer – erschien und zwar unter dem neuen Titel «Die Gestaltung des Reihen-Grabmals». Die Anleitung prägte eine ganze Generation von (deutsch-schweizerischen) Bildhauern, wurde sie doch in den Fachschulen (Berufsschulen) eingesetzt. Josef Nauer indes wehrte sich dagegen, «dass man sein Werk als Rezeptbuch für eilige Grabmalverkäufe missbrauchte» [10] Es gliederte sich in sieben Kapitel, befasst sich – «in äusserst instruktiver und künstlerischer Art» – etwa mit Grundmasse und Grundformen, Schriftgestaltung und Symbolverwendung. Josef Nauers Hauptanliegen: Das individuelle / persönliche Grabmal ist Träger einer Aussage in Form von Schrift, Symbol oder bildlicher Reliefdarstellung und ordnet sich gut ein – rhythmisch in verschiedenen Grabhöhen und wechselnden Materialien – in eine Reihe von Grabzeichen sowie in ein ganzes Grabfeld. Es soll sich zur Grösse des Grabes und zur Höhe des Betrachters in einem guten Verhältnis des «Goldenen Schnittes» stehen.

[1] J.E. Schweizer: Friedhofskultur in der Schweiz, in: ?, Jahr ?, S.198 (Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur, Hochschule Rapperswil)

[2] Brief vom 21. Juni 1979 an Hannes Trösch, Grabmalsachverständiger der Stadt Zürich, zitiert nach: Meinrad Huber, Vortag «Der Bildhauer Josef Nauer als Grabmalgestalter» anlässlich der Sommerversammlung des Verbandes der Schweizer Bildhauer- und Steinmetzmeister am 25. August 2007 (schriftliche Fassung)

[3] Steffen Kunkel: Josef Nauer, ein Bildhauer aus der Schweiz, in: Friedhof und Denkmal, Oktober 1980, S.

[4] Meinrad Huber verweist darauf in seinem Vortag «Der Bildhauer Josef Nauer als Grabmalgestalter» anlässlich der Sommerversammlung des Verbandes der Schweizer Bildhauer- und Steinmetzmeister am 25. August 2007

[5] Meinrad Huber in seinem Vortag «Der Bildhauer Josef Nauer als Grabmalgestalter» anlässlich der Sommerversammlung des Verbandes der Schweizer Bildhauer- und Steinmetzmeister am 25. August 2007

[6] Josef Nauer, zitiert nach Steffen Kunkel: Josef Nauer, ein Bildhauer aus der Schweiz, in: Friedhof und Denkmal, Oktober 1980, S. 72

[7] A. Zürcher: Grabzeichen ja – industrielle Farce nein, in: Metall, Juli 1980, S. 33 (Josef-Nauer-Dossier, Hans Mehr jun.)

[8] Brief der Friedhofkommission Hünenberg vom 11. November 1982 an Bildhauer Urs Burkhardt, Schönenberg ZH (Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur, Hochschule Rapperswil)

[9] Brief Urs Burkhardt vom 5. August 1982 an Josef Nauer (Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur, Hochschule Rapperswil)

[10] Meinrad Huber in seinem Vortag «Der Bildhauer Josef Nauer als Grabmalgestalter» anlässlich der Sommerversammlung des Verbandes der Schweizer Bildhauer- und Steinmetzmeister am 25. August 2007

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